Sonntag, 1. September 2019

Sonntagspredigt - der harmonische Gesang der Engel und der Gemeinde

Unser Glaube handelt vom neuen Morgen. Von dem was nach dem leiblichen Tode kommt. Von der Wiederkunft Christi, dem letzten Gericht und die Erfüllung bei Gott im ewigen Hochzeitsmahl.
Unser Glaube handelt aber auch vom heute. Nicht nur, was muss ich tun um heute in den Himmel zu kommen, sondern vielmehr, wie soll ich leben, damit ich Gott wohlgefällig bin, wie kann ich aktiv am Reich Gotte mitarbeiten. Heute.
Aber einen Zeitpunkt habe ich ausgelassen und den finde ich eigentlich auch total interessant: Was war gestern? Wie ist die Schöpfung entstanden? Was war vor der Schöpfung? Wie waren die Menschen, bevor sie von Christus erfahren durften? Wo war ich, bevor mich meine Eltern gezeugt haben? 
Ich finde, dass sind total spannende Fragen. Was die Schöpfung und uns besonders auch uns Menschen betrifft, bekommen wir ja viele Antworten von der Hirnforschung und von den Wissenschaftern. 
Aber die tiefe Sehnsucht des Menschen nach Barmherzigkeit, nach Schönheit, nach Liebe, die ergründen Charles Darwin und Stephen Hawking nicht für mich. Ich möchte einen dritten Engländer zu Rate ziehen. Ja auf den ersten Blick ein Märchenerzähler. Den Professor für Englische Sprache in Oxford und Autor des Buchs Herr der Ringe John Ronald Reuel Tolkien. Bekannt für die dicken Schinken „Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“. 
Er hat die germanische Mythologie und den christlichen Glauben verwoben und neue Mythen geschrieben.
Anhand von Mythen hat ja der Mensch seit tausend Jahren  versucht, sich die Welt begreifbarer zu machen. Es ging um Naturereignisse, die er so erklärte (denken wir nur an Zeus, der die Blitze auf die Erde wirft). Der Mensch hat aber auch sein Wesen tiefer ergründen wollen. Hören wir nun einen Mythus vom guten alten Tolkien über die Erschaffung der Himmelswesen: 
Eru war das, der in Arda Ilúvatar heißt, und er schuf erstens die Ainur, die heiligen Sprösslinge seiner Gedanken, und sie waren bei ihm, bevor irgendetwas anderes erschaffen war. Und er sprach zu ihnen, sie Melodien lehrend, und sie sangen vor ihm und er war froh. Lange aber sangen sie nur jeder für sich allein oder zu wenigen, während die anderen lauschten, denn ein jeder verstand von Ilúvatars Gedanken nur jenen, aus dem er stammte, und langsam lernten sie auch, ihre Brüder zu verstehen. Doch indem sie hörten, verstanden sie besser, und es wuchsen Einklang und Harmonie…
Und Ilúvatar sagte zu ihnen: „Aus dem Thema, das ich euch angewiesen habe, machet nun in Harmonie gemeinsam große Musik.“
Da begannen die Stimmen der Ainur zu erschallen wie Harfen und Lauten, Flöten und Posaunen, Geigen und Orgeln, und sie machten aus Ilúvatars Thema große Musik; und ein Klang stieg auf endlos ineinander spielenden Melodien, harmonisch verwoben, und verlor sich in den Höhen und Tiefen jenseits allen Gehörs, und die Räume, wo Ilúvatar wohnt, quollen über, und die Musik und das Echo hallten hinaus in die Leere, und sie war nicht mehr leer. *
Individuum - ich vor Gott - meine eigene Melodie
Gemeinsamer Gesang - gemeinsame Musik - nur möglich, wenn ich anderen höre, mit ihm harmoniere - das große Thema im gemeinsamen Chor.

Manche unmusikalische Menschen finden es langweilig, wenn im Himmel nur gesungen wird. Aber hier geht es um gegenseitiges Zuhören, um Harmonie und um tiefen Sinn und Verstehen. Oder wie der Autor des Hebräerbriefs uns heute schreibt: „Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hinzugetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen.. zum Mittler des neuen Bundes Jesus.“

Unzählige male vergleicht Jesus das Himmelreich mit einer Hochzeit. Einem Fest, wo man unbändige Freude verspürt, wo man das Wissen hat, ich gehöre zur Familie, wo aufgehoben ist. 

Und auch im Himmel darf es uns nicht darum gehen, den vordersten Platz zu erhaschen; den Fehler haben ja auch die beiden Apostel Jakobus und Johannes gemacht. Nein, so können wir nicht die Würde unserer Gotteskindschaft entfalten. Achten wir und lauschen wir vielmehr aufeinander und hören wir im anderen die Melodie, die Gott einem jedem von uns mitgegeben hat. 

*  J.R.R. Tolkien, The Silmarillion, 2001, 15-15. Tolkiens fiktionale Stelle beruht auf der biblischen Lehre in Hiob 38, Johannes 1 und Offb.. Dt. Übersetzung aus: Das Silmarillion, Stuttgart 2002, 13. 

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