Sonntag, 29. August 2021

Festivalpredigt 2021

Vor gefühlten 500 Jahren bin ich im Franziskanerhabit im O-Bus in Salzburg gefahren. Eine Frau sitzt dort sieht mich und ist ganz begeistert und sagt zu mir: „Ich komme jeden Sonntag um 9:00 Uhr zu ihnen ins Konzert“. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht wie ich darauf reagiert habe. Vielleicht hab ich sie lauthals angeschrien: „Das ist doch kein Konzert, das ist eine Messe. Ein Gottesdienst. Ein Hochamt.“ 

Vielleicht hat es mir auch die Stimme verschlagen. wie gesagt, ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe. 

Auf jeden Fall war in der Salzburger Franziskanerkirche jeden Sonntag um 9:00 Uhr das selbe Bild: Die Kirche war halb leer. Erst zum Gloria war die Kirche annähernd voll. In St. Gallen kommen auch 2-3 Leute ab und zu zu spät. Ich muss ehrlich sagen, mich stört das gar nicht so. Wie gesagt. In der Stadt ist das üblich. 

Aber erwarten wir als Priester nicht auch zu viel von den Leuten. Sie sollen mitfeiern und aktiv am Gottesdienst partizipieren. 

Früher hat man gesagt: „Ich habe der Messe beigewohnt.“ Das ist so ein Reizwort, um unseren Abt Gerhard auf die Palme zu bringen. In der heutigen Zeit spricht man eher von „Mitfeiernden“.

48. So richtet die Kirche ihre ganze Sorge darauf, daß die Christen diesem Geheimnis des Glaubens nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer beiwohnen; sie sollen vielmehr durch die Riten und Gebete dieses Mysterium wohl verstehen lernen und so die heilige Handlung bewußt, fromm und tätig mitfeiern, sich durch das Wort Gottes formen lassen, am Tisch des Herrenleibes Stärkung finden. Sie sollen Gott danksagen und die unbefleckte Opfergabe darbringen nicht nur durch die Hände des Priesters, sondern auch gemeinsam mit ihm und dadurch sich selber darbringen lernen. So sollen sie durch Christus, den Mittler (38), von Tag zu Tag zu immer vollerer Einheit mit Gott und untereinander gelangen, damit schließlich Gott alles in allem sei.

Ähnlich ist es auch bei der Kirchenmusik. Die umrahmen nicht den Gottesdienst oder schmücken ihn! Nein. Sie gestalten den Gottesdienst aktiv mit. Sie übernehmen einen wichtigen Part. Egal ob Orgel, Volksgesang, Dreigesang oder der gewaltige Schoenbergchor mit Festivalensemble. Alles Träger der Heiligen Liturgie. 

Und doch sind wir als Gläubige erst einmal Hörende. Und ich kann es drehen wie ich will, das ist erst mal etwas passives. Etwas, wo ich mich hingeben muss. Den anderen und seine Stimme wahrnehmend. Schwingungsfähig. Auch die leisen Töne hörend. 

„Hört, und ihr werdet leben!“

Ich glaube, es gibt viele unter euch, denen ist sowohl die Botschaft als auch der Überbringer der Botschaft höchst suspekt. Was hat uns denn die Kirche die letzten 100 Jahre gebracht? Warum sollen wir dieser Botschaft noch Glauben schenken, geschweige denn, sie befolgen.  

Ist die Kritik, die Jesus heute an die Pharisäer und Schriftgelehrten adressiert, nicht genauso an die Kleriker der Kirche heute zu richten? 

Alles Heuchler. Doppelmoral zum Quadrat. 

Gibt dieses Evangelium nicht allen recht, die nur heute in die Kirche gehen und sich sonst Sonntag für Sonntag fernhalten? 

In der Denke haben die Pharisäer und die Kleriker sicher oft genug einen Fehler gemacht: Sie haben Weisungen von Gott, die an sie ergangen sind, für alle zur Verpflichtung gemacht. Es gibt kaum ein Thema, wo Kirche nicht den Mund aufmacht und ihren Senf dazu gibt. Ob das immer so sinnvoll ist, sei mal dahingestellt. 

Ein genialer Chor stellt einen gewissen Anspruch. Üben, üben, üben. Hören. Aufmerksam sein. Volle Konzentration. Sich zurücknehmen. Den Raum füllen. Atmen. Es ist ein Wahnsinn, was da geschieht.

Manchmal sieht man sich in die gute alte Zeit zurück, alles ist geregelt, es gibt Gesetze, an die hält man sich, und irgendwie kommt man dann in den Himmel.

Da ist dies, was wir als Wille Gottes erkennen, und das durchdringt das ganze Leben. Und wenn ich mich daran halte, dann ist eine Begegnung mit Gott möglich. So, muss man sich das Pharisäertum vorstellen. Die Absicht war eine gute. Aber wir wissen wie das ist, wenn etwas gut gemeint ist...

Warum bricht dieser Jesus von Nazareth mit diesem guten Alten. Und ja, er stellt in diesem Evangelium mal eben das gesamte Buch Levitikus und einen Teil des Buches Deuteronomium mit seinen Rechtsvorschriften, die alles penibel Regeln, mehr als nur in Frage. 

Der Vorteil des Pharisäertums ist(ich will es nur noch ein letztes Mal mal erwähnen), dass man genauestens weiß, wann ich von der Weisung Gottes abweiche. 

Der Weg Christi ist viel schwieriger. Das enge Korsett außen rum ist zwar abgelegt, aber jetzt ist der Wille Gottes nicht in den äußerlichen Regeln, sondern ins Herz gepflanzt. Wenn wir jetzt, auf die biblische Lesung hören, wenn wir das Sanctus im Geiste mitsingen, darf etwas daraus wachsen. Eine neue Schöpfung durch und in uns. 

Das direkt in unser Herz eingepflanzte Wort Gottes ermutigt uns zum Handeln. Es ermöglicht unser Handeln. Wir bauen plötzlich mit an der neuen Schöpfung.  

Das Einstudieren und Vortragen einer neuen Partitur ist Neuschöpfung. 

In wenigen Wochen feiern wir Erntedank. Und wie der Name schon sagt, wir danken für die Ernte, wir danken Gott für diese wunderbare Schöpfung. Das fällt uns leicht und geht uns wunderbar über die Lippen. 

Doch: ein anderer Dank ist viel wichtiger. Der Dank, dass da ein Gott ist, der sein Wort in unser Herz pflanzt / der diesen Samen Leben einhaucht. 

„Der dich gemacht hat, weiß auch, was er mit dir machen will.“ (Augustinus)

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