Sonntag, 14. Juli 2019

Nächstenliebe und Gottesliebe

Vorletzte Woche bin ich mit einer Gruppe russischer Christen über unser Stiftsgelände gegangen. Und da kamen wir auch am Stiftsgymnasium vorbei. Da fragte eine Russin, was den diese Schule von anderen Schulen unterscheiden würde. 
Wir hatten was ein Glück einen ehemaligen Direktor einer Wiener Caritas-Schule dabei, der sogleich erklärte, wie sich eine kirchliche Schule finanziert; da werden zB die Lehrerinnen und Lehrer vom Staat bezahlt. Die Baulast hat der kirchliche Träger, kann aber in besonderen Fällen um Zuschüsse bitten. 
Ich war natürlich heilfroh, dass ich jemanden dabei hatte, der die Frage so kompetent beantworten konnte. 
Ich war natürlich heilfroh, dass man so dem eigentlichen Thema entfliehen konnte. Denn ich kann mir vorstellen, dass diese russische Dame etwas vom gelebten christlichen Glauben, vom Miteinander an der Schule, von den gemeinsamen Gottesdiensten hören wollte. 
Irgendwann vor zehn Jahren hatte sich unsere Schule mal ein Leitbild gegeben. Es war der evangelische Pfarrer Mag. Dr. Gernot Hochhauser, der bei der 375-Jahr-Feier des Stiftsgymnasiums daran erinnerte: LEBEN LERNEN, GOTT SUCHEN, RESPEKT UND VERTRAUEN, ACHTSAMKEIT, GEMEINSCHAFT.
Ich glaube mich zu erinnern, dass ich damals im Vorfeld dieser Formulierung des Leitbilds kritisiert habe, dass statt „Nächstenliebe“ das Wort „Respekt“ benutzt wird. Man hat vielleicht deswegen, damals geschrieben „RESPEKT UND VERTRAUEN“ - keine Ahnung. Weil Respekt klingt für mich nach „Recht einfordern“, nach Respektsperson, Respekt vor dem Alter… Aber dafür brauche ich keine christliche Schule und keinen christlichen Glauben. Schade, dass dieser Begriff Nächstenliebe aus dem heutigen Evangelium selbst nicht mehr von Christen gebraucht wird. Könnte ja was typisch Christliches sein. Statt dessen heisst es also „Respekt und Vertrauen“.  Auch gut. 

Für was brauche ich überhaupt einen christlichen Glauben? Man kann auch so ein guter Mensch sein. 
Wenn man das heutige Evangelium flüchtig überfliegt, dann ist es vielleicht einfach nur eine Anweisung gut am Nächsten zu handeln. Und der Nächste ist nicht mein Glaubensbruder und nicht mein Landsmann, sondern der Fremde. Punkt. 
Genau deshalb lese ich ja den ganzen Text vor und nicht nur ein Happerl. Die Anfangsfrage des Schriftgelehrten war die nach dem Ewigen Leben. Ein Mensch hat kein ewiges Leben aus sich heraus. Wir sind die gefallene Menschheit, wir sind Sünderinnen und Sünder und wir müssen alle sterben. 
Wenn hier vom ewigem Leben die Rede ist, dann ist hier von Gott die Rede. Deshalb empfehle ich statt „ewig“ „göttlich“ zu lesen. 
Was muss ich tun, um göttliches Leben zu erben? Was muss ich tun, um ganz nah bei Gott zu sein? Was muss ich tun, um göttliches, ewiges Leben zu erben?
Dass heisst im Evangelium entspringt das Gute Handeln dem festen Willen zu Gott zu gehören. Das ist unser Antrieb. 
Und ich möchte hier einen neuen Begriff hineinwerfen, der zutiefst das Christentum und die katholische Kirche beschreiben: Universalität. Für alle. 
Die Kirche ist keine Nationalkirche. Die Nächstenliebe richtet sich auch nicht nur an bestimmte Volksgruppen. Man muss auch die Deutschen zB. (oder die Afghanen, die US-Amerikaner oder…) lieben. 
Das liegt einfach in der Liebe Gottes begründet, die keine Grenzen kennt. 
Man zeichnet gerne Hassgrenzen zwischen den einzelnen Völkern und zeigt sich dann von der Ferne entsetzt.
Ich selber muss gestehen, dass ich auch Grenzen ziehe und oft wie der Priester und Levit im Evangelium weiter ziehe. 
Wie gerne würde ich mir meine Oberen, meine Brüder, meine Gäste anders backen. Immer gefallen die mir nicht. 
Du kannst dir deinen Nächsten nicht malen. Er oder sie wird immer wieder ganz konkret vor dir stehen. 

Für diese neue Woche wünsche ich Ihnen ein offenes Ohr, Tatkraft und das rechte Wort zur rechten Zeit auf den Lippen. 
Ganz eng sind diese beiden Gebote miteinander verbunden: Gottesliebe und Nächstenliebe. 
Es ist die selbe göttliche Kraft.
Die Kraft in mir, die es fertigbringt, dem anderen zu helfen und 
die Kraft der göttlichen Liebe, die mich aus dem Todesdschungel befreit. 
Dein Nächster / Deine Nächste steht schon gleich um die Ecke. Öffne ihr/ öffne Ihm dein Herz, so wie ER (Gott) Sein Herz für Dich öffnet. 

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