Sonntag, 1. Oktober 2017

Verantwortung + Barmherzigkeit

„Euer Ja sei ein Ja, euer Nein, ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.“ So heißt es in Mt 5,37. Und eben gerade haben wir doch genau das Gegenteil gehört, oder?!. Ist es mit dem Evangelisten wie mit diesem Bekannten, den vielleicht jeder von uns hat: Man muss nur lange genug warten, dann sagt er wieder genau das Gegenteil. Ich hoffe nicht. Als Bibelleser schaut man natürlich immer auf den Kontext. Für wen wurde das geschrieben, wer steht Jesus gegenüber und was hat Jesus zwei bis drei Zeilen vorher gesagt. In der eben erwähnten Stelle spricht Jesus vom Schwören. Das heisst man soll als Christ so sehr in der Wahrheit sein, dass man gar nicht lügen kann. Ich denke hier auch daran, dass man sich selbst oft belügt. Dass man sich etwas vormacht und so nicht mehr fähig ist, seinem Leben eine klare Richtung zu geben.
Heute hingegen geht es im Evangelium um die Arbeit im Weinberg.
Vor einer Woche hatte ich das große Glück mal wieder den Admonter Weinberg in Slowenien zu besuchen und das kann ich nur jedem empfehlen. Das ist absolut eine Reise wert. Was sich da in den letzten 20 Jahren getan hat, ist sagenhaft.
Gerade beim Weinberg ist es so, dass in ganz bestimmten Wochen im Jahr viele Arbeitskräfte gebraucht werden. Das muss dann schnell gehen. Und es ist klar, dass dann bei einer Winzerfamilie Sohn, Tochter, Tante, Bruder usw. mithelfen. Der Winzer zählt auf darauf. Ähnlich vielleicht auch das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Gott und uns. Er zählt auf uns, wenn es um seine Herrschaft geht. Er hat nur unsere Hände um dem zu helfen, der in Not ist. Er hat nur unsere Augen um dem anderen Freude mitzuteilen. Er hat nur unsere Ohren um die Sorgen anzuhören. Er hat nur unseren Mund um Trost und Mut zu spenden. Er hat nur unsere Füße um auf den anderen zuzugehen.
Gott braucht uns und zählt auf uns. Man spürt hier richtig, dass wir Verantwortung tragen: Sei es für die Schöpfung, sei es für die Seele unserer Mitmenschen.

Von Verantwortung spricht letztlich auch der Prophet Ezechiel: 

Wenn sich der Schuldige von dem Unrecht abwendet, das er begangen hat, und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er sein Leben bewahren. Ez 18,26
Hier wird diese unglaubliche Lebensbejahung der Heiligen Schrift deutlich.
Ich gebe zu, es gibt auch andere Stellen in der Bibel. Ich denke da an den Fluch, der von Generation zu Generation weitergereicht wird. Diese Überzeugung hatte das Volk Israel. Im Exil sollte das Volk Israel vom babylonischen König Nebukadnezar II. unterdrückt werden. Und da fing der Glaube an Gott zu wanken an. Wie kann es sein, dass Gott sein Volk so bestraft?! Müssen hier die Kinder für die Schuld ihrer Väter die einstehen?
Der Prophet Ezechiel schmettert sein Wort diesen nichtsnutzigen Gedanken entgegen. Nein, jeder wird für seine Schuld bestraft. Und jeder kann sich bessern und zu Gott umkehren. 
Wenn er alle Vergehen, deren er sich schuldig gemacht hat, einsieht und umkehrt, wird er bestimmt am Leben bleiben. Ez 18,28
Diesen einmaligen Schritt der Umkehr kritisiert der legendäre Autor Herrmann Hesse in seinem Buch Demian zutiefst. (vgl. Hesse, Hermann - Demian (Zusammenfassung))
Da wird uns Jesus am Kreuz vor Augen geführt und auf der einen Seite Verbrecher A, und auf der anderen Seite Verbrecher B. Verbrecher A kehrt nicht um; er bleibt sich und seinen schlechten Taten treu. Verbrecher B wendet sich Jesus zu mit einem einfachen Gebet. Und jetzt geht die christliche Tradition hin und stellt uns diesen Verbrecher B als Beispiel hin. Mit Recht, wie ich meine. Symbolisiert er doch, das die Barmherzigkeit Gottes auch an der Todesstunde noch da ist und ihre Arme ausbreitet.
Demian fragt Emil bei Herrmann Hesse, welchen der beiden Verbrecher er eher zum Freund wählen würde. Es geht darum, dass der Mensch frei ist, sich für das Böse oder das Gute zu entscheiden und Hesse es nicht abhaben kann, wenn Kirche oder Gott Richtung vorgeben.
Und das ist in der Tat eine Schwäche der Kirche, die aber zugleich eine heilende Stärke ist. Der Mensch, der alles weiß, braucht keinen Lehrer (Jesus Christus). Der Gesunde braucht keinen Arzt (Jesus Christus). Der ohne Sünde ist braucht keinen barmherzigen Vater.
(Stille, dann Einleitung zum Glaubensbekenntnis: Bekennen wir uns zur versöhnenden Liebe Gottes. Ich glaube…)

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