Es gibt Tage, die brennen sich ein in das kollektive Gedächtnis von ganzen Nationen ein. Nehmen wir etwa für die Österreicher den Februarauftstand 1934 oder für die Deutschen die Maueröffnung 1989.
Ein solcher Tag war auch der 15. Juli 1099. Kreuzfahrer erobern Jerusalem. Chronisten berichten detailliert von diesem Ereignis. Und dieser Bericht ist ein großer Kontrast: Sie töten alles, was sich ihnen in den Weg stellt (laut Chronisten auch Frauen und Kinder). Sie waten im Blut. Danach treten sie in die Grabeskirche in weißen (!) Gewändern und sich außer sich vor Freude und singen ihrem Gott neue Lieder. Und der zweite Riesenkontrast ist der, dass diese Ritter der vollen Überzeugung, dass sie Christen sind, hatte doch der Papst selbst zum Kreuzzug aufgerufen.
Aus heutiger Sicht gibt es einige, die ihnen das Christsein absprechen; und in der Tat kann man doch das Evangelium nehmen, wo es heisst: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“ So hören wir es diesen Sonntag im Evangelium.
Und am vergangenen Sonntag hörten wir: „Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein.“
Diese Kreuzfahrer, haben sie nicht nach dem Motto gehandelt: Wie du mir, so ich dir. Rache war angesagt.
Wir sind nicht die ersten, die das kritisieren. Schon im 19. Jahrhundert gab es einen französischen Psychologen (Gustave Le Bon), der dieses Massenverblendung untersuchte. Nietzsche, Voltaire, Lessing, Marx und Engels schlossen sich dieser Kritik an. Für sie alle war der Glaube und die Berufung auf Gott nur ein Deckmäntelchen für den Machtwillen einer scheinheiligen Priesterclique, den Expansionsdrang einiger Fürsten und den Geschäftsinn reicher Kaufleute.
Die Motive, die Papst Urban hatte, als er zum Kreuzzug aufrief, kann man aus diversen Briefen des Papstes erfahren: Er redet nicht von Eroberung, sondern von der (1) Freiheit der Kirche und der (2) Befreiung der morgenländischen Christen. Desweiteren gab es ja schon im AT diese (3) Sehnsucht nach Jerusalem. Und diese Sehnsucht, die auch viele Wallfahrer beseelte und beseelt, puschte die Ritter in Europa dazu, die heilige Stadt zu befreien. Man sah sich also in der Tradition biblischer Kämpfe. Ähnlich ging es den Israelis 1967, die vor ihren Kämpfen im Sechstagekrieg mit Jerusalemschlager aus dem Radio zugedröhnt wurden. Und diese Jerusalemsehnsucht wurde noch verstärkt, durch den Messias Jesus Christus, der ja eben in dieser Stadt für uns gelitten hat und auferstanden ist. Jetzt müssen wir doch diese Stadt zurückerobern.
Ohne Zweifel gab es viele Kreuzfahrer mit Eigeninteressen. Und die verschlimmerten den Krieg. Wenn wir kein hohes Ziel haben, sondern und nur Eigeninteressen verfolgen, sind haben wir dann etwas, das uns hält, sind wir dann nicht vielmehr schwankende Menschen. So sagt Goethe: „Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist, der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter.“
„Gott will es“ war das Motto viele Kreuzfahrer und vieler Krieger bis in die heutige Zeit. Man sieht daran, wie der Name Gottes missbraucht wird. „Volk Gottes“ ist genauso eine Metapher, die ich nicht immer gebrauchen kann, besonders dann, wenn ich mir selbst damit vormache: Gott ist immer auf meiner Seite und mich damit rechtfertige.
Dass es auch gute Motive unter den Kreuzfahrern gegeben hat, beweisen mir verschiedene Orden, deren Mildtätigkeit bis heute anhält, die aber eben damals gegründet wurden: Deutscher Orden, Malteserorden.
Manche wollen uns davon überzeugen, dass das ein machtgeiles Abendland das fortschrittliche und tolerante Morgenland überfallen hat.
„Darin liegt der Adel und die Schönheit des Glaubens, dass wir das Herz haben etwas zu wagen.“ John. Henry Card. Newman
Ich mag das Rittertum nicht und ich mag kein Ritter sein, wenn es nur darum geht, meinen eigenen Machtbereich zu vergrössern.
Ich mag Ritter sein, wenn man damit das Leben fördert und Diener des Lebens ist.
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